Im Spiegel steht ein
Artikel von Sacha Lobo der noch einen ganz anderen Aspekt beleuchtet.
Es wurde ja schon viel richtiges zum Thema gesagt. Aber aus meiner Sicht ist das Thema noch wesentlich komplexer, wenn man sich das weltweite Bevölkerungswachstum und steigende Mobilisierung ansieht.
Zunächst mal ein Blick auf andere Branchen. Vor 10 Jahren war die Firma Nokia Weltmarktführer im Bereich Mobiltelefonie. Dann kam ein gewisser Steve Jobs und hatte "one more thing" dabei. Mit der Geburt des iPhones war in dieser Branche nichts mehr wie vorher und durch den Niedergang von Nokia wurde ganz Finnland gebeutelt. Bis heute sind dort viele IT-Ingenieure arbeitslos. Dies ist kein Einzelfall. Ich war bei Siemens Jahrzehnte in der Kommunikationsbranche tätig. Im Jahr 2000 hat dieser Bereich noch ca. 25% des Konzernergebnisses erwirtschaftet. 10 Jahre später wurde der Bereich wegen fehlendem wirtschaftlichem Erfolg (IP-Technik wurde verschlafen und keiner redet über die Managementfehlentscheidungen) zerschlagen und an z. T. amerikanische Investoren verhökert. Von der Nummer 2 im weltweiten Geschäft zum Ramschladen in wenigen Jahren.
Weitere Beispiele gefällig: Was ist aus der deutschen Kameraindustrie geworden? Oder erinnert sich noch jemand an deutsche Unterhaltungselektronik? Nixdorf war auch mal ein angesehenes Unternehmen in der Computerbranche.
Die Firma Revox hatte Ende der 70er Jahre einen Werbespruch der solche Veränderungen gut beschreibt:
Erfahrung ersetzt nichts, aber Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen.
Wir setzen in Deutschland zu sehr auf den zweiten Teil der Aussage.
Die Autoindustrie muss aufpassen, dass sie nicht ebenfalls im Rahmen einer globalen Veränderung in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Die Gefahr, dass das Elon Musk der neue Steve Jobs ist, ist durchaus gegeben. Der Großteil der Fahrzeuge geht in den Export, da hilft es nichts die Autoindustrie in Deutschland zu schützen. In anderen Ländern wird aus den unterschiedlichsten Gründen (eventuell auch Aufbau einer eigenen Elektroautoindustrie, Smog in Größstädten) das Ende des Auto mit Verbrennungsmotor eingeläutet. Da auch die Ölreserven endlich sind, wird ein Systemwechsel kommen müssen und in Deutschland zehntausende von Arbeitsplätzen kosten. Man sollte dringend versuchen diese Veränderung mit zu gestalten und nicht versuchen den jetzigen Zustand um jeden Preis zu erhalten.
Das auch Länder bzw. Gesellschaften nicht dauerhaft eine Führungsposition inne haben sieht man in der Geschichte. Die Griechen könne sich heute auch nichts von den Erfolgen ihrer Vorfahren von vor 2000 Jahren kaufen. Am bekanntesten dürfte die spätrömische Dekadenz sein. Manchmal schleicht sich nicht nur bei mir das Gefühl ein, dass wir in Deutschland gerade in einer ähnlichen Phase leben.
Ich sehe unsere Gesellschaft in einem Umbruchprozess, der gelingen kann aber nicht muss. Der Autoindustrie wird als Schlüsselindustrie dabei höchst wahrscheinlich eine entscheidende Bedeutung zukommen. Gelingt die Umstellung auf Elektrofahrzeuge ohne das die Stellung im Weltmarkt verloren geht, stehen die Chancen gut dafür, dass wir noch eine Jahrzehnte im Wohlstand verbringen können. Gelingt es nicht, weil andere Anbieter schneller, besser, billiger sind , stehen uns schon in ein paar Jahren unangenehme Zeiten ins Haus. Das ist sicher nicht der einzige Umbruch der uns erwartet. Auch die älter werdende Bevölkerung stellt uns vor neue Herausforderungen.
Eine Absolution für die Autoindustrie wäre das falsche Signal. Es würde weiter gehen wie bisher und das dicke Ende käme bestimmt. Jetzt müssen klare Bestimmungen her, die die Autoindustrie in die richtige Richtung zwingen. Von alleine werden die Manager die notwendigen Schritte nie einleiten, da sie damit nicht die vertraglich vereinbarten Boni kassieren könnten. Auch dem Aktionär ist es doch letztlich egal was mit dem Unternehmen und dem Land in 20 Jahren geschieht. Er verkauft nach 3 Monaten zum Höchstkurs und dann nach mir die Sintflut. Um die Manager zum Umdenken zu bringen müssten langfristige Ziele die Boni beeinflussen und das Halten von Aktien über lange Zeiträume belohnt werden. Würde man z. B. den Aktienverkauf nach weniger als z. B. 5 Jahren massiv besteuern würden auch die Eigentümer dem Vorstand andere Vorgaben in ihre Verträge diktieren. Und der irrsinnige Hochfrequenzhandel hätte ein Ende. Trump (den ich nicht mag) zeigt gerade, dass es durchaus möglich ist die Industrie zu beeinflussen. Dazu muss nur der Markt groß genug sein und das wäre er in einem geeinten Europa.
Viele Dinge kann ein Land nicht alleine regeln und ist daher auf die Zusammenarbeit mit anderen Ländern angewiesen. Eine Zusammenarbeit mit dem neuen französischen Präsidenten würde sich hierfür anbieten. Herr Macron scheint im Gegensatz zu unserer Kanzlerin verstanden zu haben das die Zeit für Veränderungen gekommen ist. Es wäre dringend Zeit für eine wirkliche Alternative in der deutschen Politik. Leider ist keine Partei oder kein Politiker in Sicht, der sich traut die notwendigen Veränderungen auf den Weg zubringen. Erschreckend wie schwach die Grünen bei diesem ihrem Kernthema sind.
Zurück zum Diesel. Auch wenn es einige nicht wahrhaben wollen sind die Käufer betrogen worden. Nicht jeder kauft ein Auto wegen PS oder Felgen. Ich habe als Krisenmanager mal erlebt, wie ein großer deutscher Autobauer von uns einen mehrstelligen Millionenbetrag als Schadensersatz forderte, nur weil der Autobauer absolut korrekte Prospektangaben anders interpretiert hat. Mit der Softwarelösung waren die nicht zufrieden.
Betrug ist eine Straftat und gehört bestraft. Aufgrund der Dimension des Betrugs und damit die Manager was lernen halte ich Haftstrafen für angemessen. Der Schaden muss wieder gut gemacht werden. Endweder durch eine Nachrüstung oder eine Entschädigungszahlung. Alles andere widerspricht der Gesetzeslage und dem Gerechtigkeitsempfinden einer Masse der Bevölkerung. In den USA funktioniert das ja auch ganz gut. Will man Fahrverbote vermeiden kommt man an einer Nachrüstung nicht vorbei. Für ca. 1500 € ist dies für Euro 5 und 6 Fahrzeuge möglich (siehe Beitrag #18). Da sich die Politik hier mal wieder nicht traut, müssen die Gerichte entscheiden. Wenn ein Richter keine Rechtsbeugung begehen will muss er ein Urteil fällen, das eine Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte ermöglicht. Es gehört nicht viel Fantasie dazu zu erkennen, wie die Urteile ausfallen werden (müssen). Das ist den Politikern aber erst mal egal, da dies erst nach der Wahl geschiet.
Auf Dauer können sich nur die regenerative Energien durchsetzen. Denn auch unsere Kinder, Enkel und deren Nachkommen sollen noch Öl für andere Zwecke zur Verfügung haben. Und nicht vergessen immer mehr Menschen, überwiegend in Afrika und Asien, wollen mobil sein. Für diese Leute ist der 400 PS Diesel SUV garantiert nicht die Lösung, aber dort liegt aufgrund der wachsenden Bevölkerung der künftige Wachstumsmarkt. Lasst unsere Ingenieure die neuen Techniken entwickeln damit wir auch in Zukunft an der Spitze der Automobilindustrie stehen. Verschwendet keine Zeit mit dem Versuch den Wandel aufzuhalten, dass wird bestenfalls für eine kurze Zeit aber nicht dauerhaft gelingen. Die Beispiele anderer Industriezweige sollten hier eine Mahnung sein.
Wagen wir endlich den wichtigen Schritt in die Zukunft, sonst werden wir bald eingeholt und überholt. Den im Motoren- und Getriebebau entfallenden Arbeitsplätzen stehen neue Arbeitsplätze im Bereich Wasserstoff- und /oder Elektroinfrastruktur gegenüber.
Sorry für den langen eigentlich viel zu kurzen Text, aber das Thema ist einfach zu wichtig und es gäbe noch viel zu sagen.
Gruß Berthold